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EY Work Reimagined Studie 2022

17.08.2023 10:00:00

Titelbild_EY Studie

Ernst & Young, die internationale Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma, eine der sogenannten „Big Four“, veröffentlichte kürzlich eine neue Studie zum Arbeitsumfeld 2022 unter dem Namen „Work Reimagined 2022“. Befragt wurden 17.000 Beschäftigte und 1.575 Arbeitgebende aus 22 Ländern und 26 Branchen weltweit. In Deutschland wurden 1.000 Mitarbeitende und 100 Arbeitgebende befragt. Thema sind Wünsche von Mitarbeitenden, Meinungen von Arbeitgebenden und Vergleiche zwischen Ansichten beider Parteien.

Grafik EY Work Studie - Zahlen Daten Fakten

 

Stellenwechsel & Fluktuation

Zunächst wurden Aussagen zu dem Thema Stellenwechsel und Fluktuation im Unternehmen gesammelt. Die höchste Wahrscheinlichkeit eines Stellenwechsels besteht zurzeit bei der Altersgruppe der Millennials. Demnach halten 42 % derjenigen, die zwischen 1980 und den späten 90er Jahren geboren wurden, einen zeitnahen Stellenwechsel für sehr wahrscheinlich. Die Branche mit den meisten Angestellten, die einen Stellenwechsel ernsthaft in Betracht ziehen, ist der Dienstleistungssektor. Hier liegt die Zahl bei 54 %.

Grafik_Gründe für Stellenwechsel

In Deutschland zeigt sich ein ähnlicher Trend. 38 % glauben, im kommenden Jahr den Arbeitsplatz zu wechseln. Dies ist ein enormer Anstieg zum Vorjahr, da waren es lediglich 6 %. Besonderen Anteil haben daran die Arbeitnehmenden der „nächsten Generation“. Als Gründe werden vor allem die Karriereförderung und die Gesamtvergütung genannt, nämlich zu 22 und 21 %. Offensichtlich nimmt auch die Inflation und der Fachkräftemangel Einfluss, der für eine erleichterte Suche auf der Arbeitnehmerseite sorgt.

Grafik_Stellenwechsel und Fluktuation

In Bezug darauf, was am ehesten für ein Wohlfühlgefühl bei neuen Mitarbeitern im neuen Unternehmen sorgt, werden am häufigsten Flexible Arbeitszeiten/-orte und Lernen beziehungsweise Fähigkeiten aneignen genannt (37 und 35 %).

Grafik_Wohlfühlfaktoren für neue Mitarbeitende

 

Vertrauen

Vertrauen wird häufig die wichtigste Währung im Geschäftsleben genannt. In Deutschland vertrauen weniger als die Hälfte der Beschäftigten ihrem Arbeitgebenden und fühlen sich unterstützt. Nur zwei Fünftel sind der Meinung, ihr Unternehmen biete ein nachhaltiges Arbeitsverhältnis.

Für Unternehmen bedeutet das, dass sie ein Umfeld bieten müssen, in dem Mitarbeitende sich in neuen Arbeitsformen entfalten können. Für nachhaltige Arbeitsverhältnisse sind vor allem die Faktoren Gesundheit, Sicherheit, die Notwendigkeit der Anwesenheit im Büro, die Struktur der Entlohnung und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Position relevant.

 

Homeoffice

Bezogen auf Arbeitnehmende in Deutschland möchten 84 % mindestens zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. 16 % sind dafür, dass alle Arbeitnehmenden für fünf Tage pro Woche zurück ins Büro sollten. Ebenfalls 16 % möchten selbst gar nicht oder nur maximal einen Tag remote arbeiten. Diese Quote ist von 37 % gefallen.

Die Anzahl der Tage, die Arbeitnehmende durchschnittlich gern remote arbeiten möchten, liegt bei 2,9. In Deutschland wünschen sich also Angestellte nur 2 Tage pro Woche in Anwesenheit arbeiten zu müssen.

Grafik_Vertrauen & Homeoffice

 

Unternehmenskultur

Zum Thema Unternehmenskultur wurden nicht nur die Arbeitnehmenden, sondern auch die Arbeitgebenden befragt. In der Frage, ob die Unternehmenskultur im jeweiligen Betrieb besser ist als vor der Pandemie, sind sich beide Gruppen weitgehend einig. Arbeitnehmende behaupten das zu 53 % und Arbeitgebende zu 50 %. Auf Seite der Arbeitgebenden lag dieser Wert 2021 noch bei 82 %. Arbeitnehmende hatten dem 2021 nur zu 36 % zugestimmt. Ein möglicher Grund für diese Veränderung, besonders auf Seite der Arbeitgebenden könnte die beschleunigte Abwanderung von Angestellten sein. 60 % der Arbeitgebenden sagen aus, die Personalfluktuation in ihrem Unternehmen habe im letzten Jahr zugenommen.

 

Unschlüssigkeit

Die Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere infolge der Pandemie, haben vielen Menschen ein Gefühl von Unberechenbarkeit der Zukunft gegeben. Dies lässt sich auch in Bezug auf ihre Arbeitswelt feststellen. Mehr als die Hälfte der befragten Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zeigen sich unschlüssig bezüglich der zukünftigen Entwicklung ihres Unternehmens und ihrer eigenen Zukunft.

Diese Erkenntnis ist aber nicht negativ zu interpretieren. Sie kann eine Chance für Arbeitgebende darstellen, eine zielführende Strategie für ihr Unternehmen zu entwickeln.

Grafik_Unternehmenskultur & Unschlüssigkeit

 

Gesamtvergütung

Eine als unangemessen wahrgenommene Gesamtvergütung gehört zu den zwei häufigsten Gründen, wieso Arbeitnehmende einen Stellenwechsel in Betracht ziehen oder ihr aktuelles Unternehmen verlassen. 72 % der Arbeitnehmenden möchten eine Änderung an ihrer Gesamtvergütung. 78 % der Arbeitgebenden wollen ebenfalls Änderungen an Gesamtvergütungen vornehmen, allerdings vermutlich in den meisten Fällen in entgegengesetzten Richtungen.

Zu den Gründen für diese hohen Quoten gehören die steigende Inflation, die Akzeptanz von Remote Work und hybriden Arbeitsformen vonseiten der Arbeitgebenden und aktuelle Trends auf dem Arbeitsmarkt (wie beispielsweise der Fachkräftemangel).

In Bezug auf die Frage, ob Gehaltserhöhungen für einen Weg gehalten werden, der steigenden Personalfluktuation entgegenzuwirken, sind sich Arbeitnehmende und -gebende uneinig. Erstere beantworten dies zu einem Drittel mit Ja. Allerdings sehen das nur 8 % der Arbeitgebenden genauso.

Daraus ist zu folgern, dass Arbeitgebende sich schwertun, das Problem der „Lohngerechtigkeit“ anzugehen. Außerdem ist es möglich, dass Sie rein kein Interesse daran haben, Gehaltserhöhungen umzusetzen und sie daher als irrelevanter einschätzen als ihre Angestellten.

 

Geschäftsreisen

Geschäftsreisen gehören in vielen Berufen zur Jobbeschreibung und sind ein essenzieller Teil des Doings. Durch Covid-19 und die folgende Entwicklung hin zu Online-Meetings hat jedoch der Bedarf nach Anwesenheit und damit verbundenen Geschäftsreisen stark nachgelassen. Allerdings wünschen sich 74 % der Arbeitnehmenden, wieder mindestens so häufig reisen zu wollen wie vor der Pandemie.

Dies wird jedoch nur von 24 % der Führungskräfte unterstützt. Die Gründe, wieso wenige Vorgesetzte die Reisebereitschaft ihrer Mitarbeitenden nicht mehr ausnutzen, könnten beispielsweise eine mangelnde Notwendigkeit oder hohe damit verbundene Kosten sein. Eventuell sind die Arbeitnehmenden auch on-site nicht zu entbehren.

Dies hat allerdings auch Folgen auf die Fluktuation im Unternehmen. Die Arbeitnehmendengruppe der sogenannten Jobhopper, also Personen, die häufig ihre Stelle wechseln, besteht zu 85 % aus Reiselustigen. Dieser Zusammenhang suggeriert, dass die Möglichkeit im Job zu reisen ein Benefit sein könnte, um Mitarbeitende besser an das eigene Unternehmen zu binden.

Grafik_Gesamtvergütung & Reisewunsch

 

Vielfalt und Integration

Im Rahmen der EY Work Reimagined Studie wurden die beiden Gruppen der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ebenfalls zu Vielfalt und Integration befragt. Genauer: Welche sie für die wichtigste Einzelmaßnahme halten, um für Vielfalt und Integration im Unternehmen zu sorgen.

Arbeitgebende nennen mit 19 % am häufigsten die Überprüfung der Einstellungskriterien. Mitarbeitende hingegen sind überzeugt, dass die Thematisierung der Lohnungleichheit am relevantesten ist (18 %). An dieser Stelle ist zu betonen, dass starke Prioritätenunterschiede zwischen den Kategorien „Jobhopper“ und „arbeitgebertreu“ bestehen. Die Arbeitsgruppe der Arbeitgebertreuen sind generell eher im Einklang mit den Aussagen der Arbeitgebenden.

Es ist also bedeutsam, als Vorgesetzte die Zusammensetzung der Belegschaft zu kennen, um angemessen auf deren Bedürfnisse zu reagieren.

 

Anwesenheit im Büro

Ein relevanter Untersuchungspunkt der EY Studie war nicht nur, wie viel Anwesenheit (oder Nicht-Anwesenheit) sich Mitarbeitende wünschen, sondern auch worin Gründe bestehen, ins Büro zu kommen.

Erkenntlich war, dass signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Generationen bestehen, bezogen auf die Gründe, in Anwesenheit zu arbeiten. Für die jüngeren Generationen, besonders die Generation Z, regt besonders die soziale Komponente dazu an, ins Büro zu kommen. Neben der Pflege sozialer Kontakte legen diese Arbeitnehmenden Wert auf die Annehmlichkeiten des Arbeitsplatzes und einen gelegentlichen „Tapetenwechsel“. Anders gestaltet sich das bei den älteren Generationen (zB. Baby Boomer). Diese Mitarbeitenden arbeiten vor allem aufgrund der Technologie am Arbeitsplatz im Büro.

Aus den dargelegten Daten geht hervor, dass der Zweck der Büroräume und der Einfluss dessen auf die Arbeitsweise der Arbeitenden von deren Demographie abhängt. Soziale Faktoren sind insgesamt die wichtigsten Gründe für Anwesenheit im Büro. Bei den jüngeren Generationen sind diese jedoch eher informell, wie beispielsweise die Pflege sozialer Kontakte. Ältere Generationen verstehen darunter eher formelle Faktoren, wie die Zusammenarbeit mit Kollegen.

Insgesamt bieten sich hier maßgeschneiderte Lösungen für Arbeitgebende an, um die Prioritäten aller Beteiligten miteinander in Einklang zu bringen.

Grafik_Gründe für Anwesenheit im Büro

 

Wohlbefinden

Zum Wohlbefinden der Arbeitenden in Deutschland wurden ebenfalls umfassende Daten erhoben. Hier wurde separiert nach Generationen, Geschlecht, Ethnie, Abteilungen und Branchen. Generell lässt sich schlussfolgern, dass mit einer Ausnahme (Abteilung der Kundenbetreuung) in jeder Kategorie das Wohlbefinden nach der Pandemie eher als gesteigert als vermindert wahrgenommen wird.

Nur in der Abteilung der Kundenbetreuung übersteigt die Wahrnahme eines verminderten Wohlbefindens die eines gesteigerten Wohlbefindens (34 zu 22 %)

Grafik_Veränderung des Wohlbefindens

 

Handlungsempfehlungen

Neben der umfangreichen Erhebung von Daten zur Wahrnehmung der Arbeitswelt in 2022 thematisiert die EY Studie auch Handlungsempfehlungen, um den Herausforderungen des aktuellen Arbeitsmarktes zu begegnen.

Zunächst einmal sollten Unternehmensführer generell nach funktionsübergreifenden Lösungen suchen, um schnell auf Chancen reagieren zu können, sobald sie sich bieten.

Hybride Modelle sollten operationalisiert werden. Das bedeutet, dass hybrides Arbeiten zum festen Bestandteil des Arbeitsalltags gemacht werden sollte. Hierfür ist in jedem Fall ein konkretes Konzept nötig und eine Antwort auf die Frage, welche Arbeiten sich überhaupt dafür eignen.

Neuer Call-to-Action

Zusätzlich sollten Wertschöpfungsstrukturen geschaffen werden. Dies kann beispielsweise eine Neugestaltung der Büroräume beinhalten oder die Neustrukturierung von internen Vergütungssystemen. Nicht zuletzt kann auch eine Mobilitätsstrategie für Mitarbeiter entwickelt werden, die aus verschiedenen Regionen zum Unternehmen pendeln.

Neben der Operationalisierung des hybriden Arbeitsmodells kann es für Unternehmen sinnvoll sein, die vorhandenen Arbeitsplätze umzugestalten. Wenn Das Unternehmen danach strebt, Mitarbeitende zurück an ihre Arbeitsplätze zu „locken“, können integrierte Arbeitsplätze, Annehmlichkeiten für die Produktivität der Mitarbeitenden und das Möglichmachen von sozialen Kontakten und Weiterbildungen dabei hilfreich sein.

Alle Maßnahmen, die ergriffen werden, sollten für maximale Effektivität immer basierend auf der Zusammensetzung der Belegschaft und deren Prioritäten und Wünschen sein.

Grafik_Handlungsmaßnahmen

 

Fazit

Abschließend betonen die Autoren der Studie, dass das Thema Lohn(un)gleichheit von höchster Bedeutung ist. Ihrer Auffassung nach, sind jegliche Maßnahmen für eine Optimierung der Unternehmenskultur, der Produktivität, der Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion hinfällig, wenn Unternehmen das Problem der Lohnungleichheit zwischen internen und externen Arbeitsmärkten nicht beheben. Dieser ist nämlich der größte Einflussfaktor für eine anhaltende Fluktuation von Mitarbeitenden.

Unternehmensführungen, die entschlossen handeln, seien in der Lage, Vertrauen aufzubauen und könnten ihr Unternehmen in eine vielversprechende Zukunft steuern.

Es ist von Belang zu betonen, dass sich die Erwartungshaltung der Mitarbeitenden in den letzten Jahren verändert hat. Der deutsche Arbeitsmarkt ist zu einem Arbeitnehmermarkt geworden. Der Fachkräftemangel und die veränderten Ansprüche der jüngeren Generationen sorgen dafür, dass es für Unternehmen schwieriger wird, Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Unternehmen müssen in 2023 progressiv sein und aktiv an der Optimierung ihrer Arbeitsbedingungen arbeiten, beispielsweise indem Vergütungs- und Karrieremodelle neugestaltet werden.

Der Wechsel des Arbeitsplatzes wird immer einfacher, dementsprechend sollten Arbeitgebende danach streben, ihren Mitarbeitenden ansprechende Benefits zu bieten, auf ihre Wünsche und Prioritäten einzugehen und sich ein genaues Bild darüber machen, wie die Zusammensetzung ihrer eigenen Belegschaft aussieht.

Dafür muss zunächst einmal der Status quo eines jeden Unternehmens auf den Prüfstand gestellt werden. Die Führungsetage sollte sich fragen, welche Aspekte der Unternehmenskultur bewahrt werden sollen und wie Reibungsverlust minimiert werden können beim Übergang in eine neue Arbeitsmentalität und -realität.

Mitarbeitende sind das wichtigste Gut eines Unternehmens und um diese Mitarbeitenden an den eigenen Betrieb zu binden, müssen Arbeitgebende realisieren, wie auseinandergehend die Annahmen der Arbeitgebenden gegenüber den Meinungen der Arbeitnehmenden sind. Dies hat die „Work Reimagined“- Studie ausführlich dargestellt.

Diese Differenzen müssen individuell in Unternehmen anerkannt, analysiert und basierend darauf stetig Maßnahmen ergriffen werden, um das Unternehmen und die Arbeitnehmerfreundlichkeit zu optimieren. Dies wird in Zukunft der Schlüssel sein, um Unternehmen wettbewerbsfähig zu machen / zu halten.

Grafik_Die relevantesten Themen

 

Pia Hoffmann

Geschrieben von Pia Hoffmann

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