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Alkoholsucht im Job – Herausforderung für Unternehmen und Mitarbeitende

13.07.2023 10:00:00

Immer mehr Alkoholsüchtige im Job

In den letzten 10 Jahren stieg die Zahl der Alkoholsüchtigen im Job um 32 % . Das ergab eine Studie der KKH (Kaufmännische Krankenkasse Hannover) in 2022. Laut der DHS (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen) sind 5 % der Arbeitnehmer alkoholabhängig. Bei Führungskräften sind es bis zu 10 %. Das bedeutet bei einer Anzahl von 45,5 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland in 2022 sind rund 2,28 Millionen Arbeitnehmer alkoholabhängig. Jährlich sterben Expertenschätzungen zufolge rund 20.000 Menschen vorzeitig an den Folgen ihres Alkoholkonsums.
Eine erschreckend hohe Zahl mit einer vermutlich hohen Dunkelziffer.

Facts zu Alkoholabhängigkeit

Neben den offensichtlichen negativen Auswirkungen auf das Individuum ergeben sich auch für den Arbeitgebenden daraus einige Probleme. Die Kosten, die Alkoholabhängigkeit am Arbeitsplatz erzeugt, liegen Schätzungen nach in Milliardenhöhe. Diese Kosten entstehen infolge von Unfällen am Arbeitsplatz durch Alkohol, Behandlungen und Produktivitätsausfällen sowie Fehltagen.
Die Zahl der Fehltage bei alkoholsüchtigen Beschäftigten steigt jährlich, sie weisen 2022 16-mal höhere Fehlzeiten auf als nicht erkrankte Beschäftigte. Außerdem erbringen sie nur etwa 75 % der geforderten Arbeitsleistung.

 

Definition Alkoholsucht - Wann gilt man überhaupt als alkoholsüchtig?

Die WHO (World Health Organisation) hat eine klare Definition von riskantem Alkoholkonsum. Für Männer liegt dieser bei 24 Gramm reinem Alkohol an mehr als fünf Tagen pro Woche, das entspricht täglich etwa 0,5 Liter Bier, einem Glas Wein oder einem Glas Sekt. Bei Frauen liegt die Grenze für riskanten Alkoholkonsum sogar nur bei der Hälfte, nämlich 12 Gramm. Der Grund dafür ist, dass Frauen, unter anderem wegen einem fehlenden Leberenzym, Alkohol schlechter abbauen.

Als alkoholsüchtig gilt eine Person, wenn im Rahmen ihres Alkoholkonsums mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  1. Craving – ein starkes Bedürfnis nach Alkoholkonsum
  2. Kontrollverlust
  3. Körperliches Entzugssyndrom nach Konsumunterbrechung – dazu gehört beispielsweise Zittern
  4. Toleranzentwicklung – ein immer weiter steigender Konsum zeigt zunehmend weniger Wirkung
  5. Vernachlässigung anderer Interessen bis zur Verwahrlosung
  6. Fortführen des Konsums trotz klarer Hinweise auf negative körperliche, psychische oder soziale Folgen - dazu gehören beispielsweise der Konsum zu unpassenden Zeiten oder ohne Rücksicht auf soziale Auswirkungen 

 

Gesetzliche Grundlage für Arbeitgeber – Was muss man beachten?

Ein konkretes Verbot von Alkoholkonsum eines Arbeitnehmenden während der Arbeitszeit gibt es nicht. Allerdings gibt es Vorgaben, aus denen sich ein Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz ableiten lässt. In § 611 BGB ist geregelt, dass Mitarbeitende dem Unternehmen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Besteht im Falle von Alkoholkonsum am Arbeitsplatz eine Beeinträchtigung dieser Arbeitskraft, liegt ein Verstoß gegen das Gesetz vor.

Versicherungstechnisch besteht zudem eine Pflicht des Arbeitgebenden, alkoholisierte Mitarbeitende nach Hause zu schicken. Hierbei darf derjenige jedoch nicht sich selbst überlassen werden, eine Heimkehr muss sichergestellt sein.

 

Gründe für Alkoholabhängigkeit – Worin kann eine Sucht begründet liegen?

Eine Alkoholabhängigkeit kann diverse und vielschichtige Gründe haben; genetische, psychologische und soziale. Auch im Arbeitsumfeld gibt es einige Faktoren, die das Alkoholmissbrauchsrisiko steigern können.

Eine besondere Gefährdung eine Alkoholabhängigkeit zu entwickeln, besteht laut Experten für Arbeitnehmende:

  • im Nacht- oder Rufdienst, da hier der Tag-Nacht-Rhythmus gestört wird
  • mit ständigem Kontakt zu Alkohol am Arbeitsplatz, beispielsweise in der Gastronomie
  • die ständige Unter- oder Überforderung am Arbeitsplatz erleiden

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Mitarbeitende in anderen Arbeitsumfeldern nicht ebenfalls alkoholsüchtig sein können. Es gibt einige Anzeichen, auf die jeder Arbeitgebende, jede Führungskraft und alle Kollegen/Kolleginnen achten sollten.

Weinglass

 

Anzeichen für Alkoholsucht am Arbeitsplatz – Woran können Kollegen und Vorgesetzte einen betroffenen MA erkennen?

 

Alkoholsucht ist ein schleichender Prozess und das Klischee vom arbeitslosen

Alkoholiker längst überholt. Viele Betroffene verstecken ihre Abhängigkeit über Jahre und erscheinen nach Außen für lange Zeit wie funktionierende Mitglieder der Gesellschaft.

Die Hemmung um Hilfe zu bitten sowie die Angst vor einer Kündigung sorgt oft dafür, dass die Betroffenen sich keine Hilfe suchen. Dabei wünschen sich Erfahrungsberichten nach viele trockene Alkoholiker, jemand wäre (eher) aktiv auf sie zugegangen. Hier müssen sich sowohl Vorgesetzte als auch Kollegen/Kolleginnen in der Verantwortung sehen.

 

Es gibt verschiedene Anzeichen, die auf eine Abhängigkeit hinweisen können:

  • Häufiges Fehlen am Montag
  • Plötzliches Verschwinden und Wiederauftauchen am Arbeitsplatz – möglicherweise wird heimlich Alkohol konsumiert, beispielsweise auf der Toilette
  • Immer pünktliches Gehen – das Bedürfnis „nachzutanken“ kann nicht länger als absolut nötig unterdrückt werden
  • Plötzliche Wandlung des Charakters – Betroffene werden oft ungewohnt gesprächig, still oder leicht reizbar
  • Der Geruch – entweder ist die sogenannte „Alkoholfahne“ riechbar oder die Person nutzt ungewöhnlich viel Parfüm/Deo, um den Geruch zu überdecken
  • Verändertes Aussehen

 

Anzeichen einer Abhängigkeit

Grundsätzlich sollten Sie stets auf auffällige, länger anhaltende Veränderungen im üblichen Verhalten Ihrer Kollegen und Angestellten achten.

 

Mögliche Maßnahmen – Was kann man tun, wenn man im beruflichen Umfeld eine Alkoholsucht vermutet?

 

Wenn Sie bei Mitarbeitenden oder sich selbst die Symptome eines Alkoholproblems zu erkennen glauben, gibt es verschiedene Maßnahmen, die Sie ergreifen sollten.

Am wichtigsten ist es, das Thema aktiv anzusprechen. In vielen größeren Unternehmen gibt es einen Betriebsarzt, Suchtberater oder Seelsorger, denen Sie sich anvertrauen können. Diese können Alkoholkranke an Beratungsstellen oder Kliniken vermitteln. Auch die Führungskraft sollte informiert werden.

Wichtig ist es für Betroffene zu wissen, dass eine Kündigung nur wegen Nichterfüllung der Arbeit möglich ist. Wenn Sie jedoch eine Suchtkrankheit zugeben, greift das Hilfesystem und Sie sind vor einer Kündigung geschützt. Alkoholsucht ist seit 1968 als Krankheit anerkannt, folglich bewahrt Sie der „Schutz von Krankheit“ vor einem Arbeitsplatzverlust. Außerdem sind Krankenkassen und Rentenversicherungsträger dadurch verpflichtet, Entzugstherapien zu bezahlen. Es ist also immer empfehlenswert, sich Jemandem anzuvertrauen.

Wenn Sie Symptome bei anderen beobachten, ist es von größter Wichtigkeit, das Thema so früh und so gefühlvoll wie möglich anzusprechen. Sie sollten

  • Du-Botschaften vermeiden
  • Die persönlichen Sorgen ausdrücken
  • Dem anderen metaphorisch die Hand reichen
  • Drohungen oder „in-die-Ecke-drängen“ vermeiden

Beispielsweise könnten Sie etwas sagen wie „Hey xyz. Lass uns doch mal ungestört sprechen. Ich habe das Gefühl, dir geht es in letzter Zeit nicht gut. Ich möchte dich gern unterstützen. Kann ich etwas für dich tun? Möchtest du etwas loswerden?“

Um eine mögliche Alkoholabhängigkeit festzustellen, kann man zwei Tests durchführen: 

1. den CAGE Test 

CAGE-Test

2. den BASIC-Fragebogen

BASIC Fragebogen

Wird ein Alkoholproblem von Betroffenen zugegeben oder angesprochen, sollte jedes Unternehmen über eine Dienstvereinbarung zu Sucht und einen Stufenplan verfügen.
Es sollten klärende Gespräche geführt, die Person betreut und an eine passende Einrichtung weitergeleitet werden.

Alkoholabhängige brauchen auch im beruflichen Umfeld ein starkes und verständnisvolles Supportsystem. Es kann, je nach Situation, eine Entzugstherapie, eine Selbsthilfegruppe, eine psychologische Behandlung oder eine Beratung sinnvoll sein.

Sollte die Person, bei der eine Alkoholsucht vermutet wird, stark abweisend oder wütend reagieren sowie die Symptome vehement leugnen, könnten auch das Hinweise auf ein Problem sein. Hier sollten Führende und das Kollegium immer wieder klärende Gespräche führen und Unterstützung bieten. 

 

Prävention – was können Unternehmen tun, um Süchten vorzubeugen?


Neben einem Dienstprogramm für den Umgang mit erkannten Süchten sind Präventionsmaßnahmen mindestens ebenso bedeutsam.

Jedes Unternehmen sollte regelmäßige Pflichtschulungen für alle Mitarbeitende, auch Führungskräfte, zum Umgang mit Alkohol durchführen.

Einige Unternehmen etablieren ein generelles Alkoholverbot, so gibt es kein Feierabendbier oder Sekt/ Champagner bei Feierlichkeiten während der Arbeitszeit etc. Dadurch werden zusätzlich trockene Alkoholiker im Unternehmen unterstützt, indem „Versuchungen“ minimiert werden.

In allen Fällen sollte es betriebliche Ansprechpartner im Suchtbereich geben, nach Möglichkeit auch Info-Material zu dem Thema.

Zusätzlich sollten Unternehmen gesundheitsschädliche und stressinduzierende Faktoren für Arbeitnehmende minimieren, dazu gehören beispielsweise Überarbeitung oder ständige Nachtschichten . Hierzu ermöglichen manche Workforce Management Softwares wie beispielsweise WFM One eine sogenannte „ergonomische Schichtplanung“, um Belastungen im Arbeitsalltag zu reduzieren.

 

Fazit


Schlussendlich ist es für die Prävention und die Behandlung von Alkoholproblemen am Arbeitsplatz wichtig, dass bei allen Beteiligten ein Bewusstsein für das Thema geschaffen wird.



Alkoholabhängigkeit tritt am Arbeitsplatz immer häufiger auf und gewinnt damit an Relevanz. Es handelt sich um eine behandelbare Krankheit, die Unterstützung für die Betroffenen erfordert. Es darf nicht zu einem Tabuthema degradiert werden, denn die beste Maßnahme gegen unentdeckte Alkoholsucht ist offene Kommunikation mit den Betroffenen.

Versuchung Alkoholkonsum

 

Pia Hoffmann

Geschrieben von Pia Hoffmann

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