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BAG-Urteil zur Arbeitszeiterfassung: Auswirkungen einer Zeiterfassung

23.11.2022 11:45:00

Image of businessman holding alarmclock against illustration background. Collage

Aktualisiert am 23.12.2022

Für viele Menschen klingt der Begriff „Zeiterfassung“ beängstigend. Die Mitarbeitenden befürchten eine übermäßige Kontrolle und Arbeitgebende fürchten sich vor noch mehr Bürokratie. Da der Sinn einer Zeiterfassung oftmals nicht verstanden wird, kommt es zu den Missverständnissen. Viele kennen die Vorteile einer Zeiterfassung nicht.
Ohne Zeiterfassung wissen weder Mitarbeitende noch Arbeitgebende, ob Verträge und gesetzliche Arbeitszeiten eingehalten werden, ob Überstunden oder Minusstunden geleistet werden.

Am 14. Mai 2019 fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil, in dem er die Notwendigkeit einer ausführlichen Arbeitszeiterfassung begründet. In Deutschland blieb der Gesetzgebende noch untätig. Jedoch ging das BAG davon aus, dass bereits jetzt eine entsprechende Pflicht zur Zeiterfassung besteht und hat mit seinem gefällten Urteil den Gesetzgebenden überholt. Das bedeutet, dass der Arbeitgebende bereits in der Pflicht steht, sämtliche Arbeitszeiten zu erfassen. Es gibt keine Übergangsfrist und es reicht nicht, lediglich Überstunden zu erfassen. 

Einführung elektronischer Zeiterfassung: das BAG-Urteil und was es bedeutet?

Erstmal erklärt werden muss, was das BAG-Urteil vom 13.09.2022 verlangt: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen.“. (Quelle: https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/einfuehrung-elektronischer-zeiterfassung-initiativrecht-des-betriebsrats/ Stand 27.09.2022).

Kurz gesagt: Alle Arbeitgebenden in Deutschland sind dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen. Die bestimmten Rahmenbedingungen, wie und in welcher Form die Daten erfasst werden sollen, stehen noch nicht fest – aber es ist nur eine Frage der Zeit. Daher sollten sich schon jetzt alle Arbeitsgebenden sowie Arbeitsnehmenden über die kommenden Veränderungen im Arbeitsumfeld und Personalmanagement informieren.

Welche Zeiten sind zu erfassen und in welcher Form? 

Der Beginn, das Ende sowie die Überstunden sind zu erfassen. Die Form der Erfassung wurde nicht vorgegeben.

Es gibt verschiedene Arten einer Zeiterfassung. Stundenzettelführung ist eine einfache Form von Zeiterfassung, passt aber nur für kleine Unternehmer mit bis zu max. 10 Mitarbeitenden. Eine Excel-Tabelle sorgt für weniger Papierchaos, die Daten müssen aber für die Lohnabrechnung manuell übertragt werden. Hardware-Lösungen wie Stechuhr oder Stempelanlagen bieten eine moderne und bequeme Abwicklung für die Zeiterfassung. Aber dafür muss man unbedingt vor Ort sein, da die Terminals am Arbeitsort fest installiert sind. Eine Zeit- und Ortsunabhängigkeit bieten dafür mobile/webbasierte Lösungen. Ein kleiner Haken: Die Firma muss technische Geräte wie PC oder Handy für Mitarbeitende bereitstellen. Es gibt auch hybride Lösungen: Eine Kombination aus Stempelanlage und mobiler Lösung. Diese kommen bevorzugt in Firmen zum Einsatz, die z.B. eine Produktion als auch Homeoffice-Plätze haben.

Von welchen Arbeitnehmenden müssen die Zeiten erfasst werden?  

Von der Pflicht sind Arbeitnehmende im Sinne von § 5 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz betroffen. Keine genaue Aussage gibt es für die Zeiterfassung von leitenden Angestellten.  

Ab wann gilt die Verpflichtung? 

Die Verpflichtung der Zeiterfassung bzw. zur Errichtung eines Zeiterfassungssystems gilt ab sofort und damit ohne Umsetzungsfrist. 

Ist die Vertrauensarbeitszeit noch möglich?

Das BAG gibt an, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmenden zu delegieren ist. Jedoch sind die Arbeitgebenden in ihrer Prüfpflicht und müssen dieser stichprobenartig nachgehen und ggf. aktiv werden.  

Gibt es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats? 

Bei der Frage, ob eine Einführung der Zeiterfassung geschehen soll, hat der Betriebsrat kein Initiativrecht. Der Grund ist die gesetzliche Verpflichtung. Jedoch haben sie ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Zeiterfassung. Dabei sind § 87 Absatz 1 Nummer 6 Betriebsverfassungsgesetz (technische Einrichtung) bei der Einführung elektronischer Systeme zu beachten sowie das Mitbestimmungsrecht des Gesundheitsschutzes nach § 87 Absatz 1 Nummer 7 Betriebsverfassungsgesetz 

Was passiert bei Verstößen?  

Da das BAG die Verpflichtung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems auf die Regelung des § 3 Arbeitsschutzgesetzes stützt, ist mit einer geringen Strafe zu rechnen. Verstöße gegen diese Vorschrift führen nicht unbedingt zu einem Bußgeld.

Was bedeutet das für die Praxis?  

Unternehmen, welche bereits ein System zur Zeiterfassung besitzen, sollten prüfen, ob Optimierungsbedarf besteht.  
Wenn noch kein System vorherrscht, ist es am rechtssichersten, der Verpflichtung nachzugehen und somit ein System zu implementieren.  

Auswirkung der Arbeitszeiterfassung

Das neue Gesetz sorgt für einen großen Interpretationsspielraum. Zuallererst: Die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung soll nicht als negatives Ereignis betrachtet werden. Wir befinden uns in den Zeiten der Globalisierung, wo Prozesse der Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen. Die Wahrnehmung des Arbeitsplatzes ist nicht mehr wie vorher. New Work sowie Remote Work sind schon in vielen Firmen verbreitet. Auch die digitale Zeiterfassung gehört bei manchen Branchen wie Industrie oder Behörden schon längst zum Alltag.

Auswirkungen für Arbeitgebende:

  • Es besteht jetzt die Verpflichtung für alle Arbeitgebenden die Arbeitszeiten der Beschäftigten systematisch zu erfassen.

  • Die Arbeitgebenden sollten bereits jetzt nach einem geeigneten System für die Zeiterfassung suchen und mit der Einführung starten. Denn Lieferzeiten für z. B. Terminals und Transponder können aktuell deutlich länger sein.

    Die Suche und Einführung einer optimalen Zeiterfassungssoftware bedeutet erstmal einen gewissen Arbeits- und Zeitaufwand sowie eine Investition. Dieses wird sich in der Regel bereits nach kurzer Zeit rentieren.

  • Digitale Zeiterfassung unterstützt flexible Arbeitszeitmodelle und / oder Ortsunabhängigkeit der Mitarbeitenden und wirkt somit motivierungs- und leistungsfördernd.

  • Digitale Zeiterfassung ist praktischer als manuelle Angaben – keine Excel-Tabellen, kein Papierkram und keine Aktenberge mehr.

  • Digitale Zeiterfassung spart viel Zeit für HR-Mitarbeitende. Zeit, die für andere wichtige Projekte genutzt werden kann.

  • Elektronische Erfassung verringert Fehler, die bei einer manuellen Eingabe öfter auftreten können.

  • Digitale Zeiterfassung bietet einen klaren und nachvollziehbaren Überblick über abgeleistete Stunden sowie Tätigkeitserfassungen, die gezielt den Kunden oder Projekten zugeordnet werden können.

  • Zeiterfassung ist die Grundlage für die Lohnbuchhaltung.

  • Jederzeit Zugriff auf tagesaktuelle Daten.

Auswirkungen für Arbeitnehmende:

  • Zeiterfassung dient dem gesundheitlichen und rechtlichem Schutz der Mitarbeitenden. Zum Beispiel: Arbeitsunfallschutz im Homeoffice oder sicher bezahlte Überstunden.

  • Fairness: Wer viele Überstunden leistet, kann diese nun nachweisen. Besteht die Regelung, dass diese abgefeiert oder ausgezahlt werden, ist klar im Vorteil.

  • Flexibilität: Arbeitsstunden an private Bedürfnisse anpassen.

  • Bequeme und nachvollziehbare Zeit- und evtl. auch Tätigkeiterfassung auch für mobiles Arbeiten oder Homeoffice dank digitalen und modernen Lösungen.

Interessantes Urteil:

Unfall im Homeoffice – Vorteil einer Zeiterfassung im Homeoffice: Man kann seinen üblichen Arbeitsbeginn nachweisen.
Aber auch für Wegeunfälle kann der Nachweis z. B. des Arbeitsendes von Vorteil sein.

Software für die Zeiterfassung: Einfach und punktgenau! 

Eine Software für die Zeiterfassung ermöglicht eine umfangreiche und detaillierte Erfassung der Einsatzzeiten. Dabei zeigt diese nicht nur Arbeitsbeginn und -ende des jeweiligen Mitarbeiters an, sondern ebenfalls die in ein Projekt investierte Arbeitszeit. So kann bei Bedarf zeitnah auf Abweichungen reagiert und der Fortschritt eines Projektes detailliert an Kunden weitergegeben werden. 
Das Ein- und Ausstempeln kann über ein physisches Terminal oder aber ganz bequem online geschehen. Das ist besonders interessant für Unternehmen, die eine flexible und familienfreundliche Personalpolitik leben und ihren Mitarbeitenden Homeoffice ermöglichen. Auch für Beschäftigte, die häufig beruflich auf Reisen sind, ist ein Online-Terminal die optimale Möglichkeit, auch außerhalb des eigenen Büros der Aufzeichnungspflicht nachzukommen. 

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Fazit

Die digitale Zeiterfassung hat nichts mit Überwachung oder Kontrolle zu tun. Mit einer Software für die Zeiterfassung können gerade in Zeiten ständiger Erreichbarkeit, neuen Arbeitsformen und flexibleren Arbeitszeiten die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt werden. Denn die Flexibilisierung der Arbeitswelt darf nicht bedeuten, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit verschwinden. Eine Aufzeichnungspflicht sorgt deshalb für faire Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten. 

Mit einer Zeiterfassung sind sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende auf der rechtlich sicheren Seite. Die Arbeitszeit wird lückenlos und einfach erfasst. Arbeitnehmende mit Vertrauensarbeitszeit und einer hohen Überstundenzahl können sich durchaus benachteiligt fühlen. Dank einer Zeiterfassung wird die Arbeitsleistung ablesbar. 

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Mariya Zhovnovska

Geschrieben von Mariya Zhovnovska

Kreativkopf: Als Social Media Expertin und Studierende der Interdisziplinäre Medienwissenschaft bringt Mariya frischen Wind für unseren Blog und Social Media Kanäle. Sie liebt, was sie tut, und ihre Arbeit macht sie mit Leidenschaft.

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