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Quiet Quitting: Was steckt hinter dem Dienst nach Vorschrift?

Geschrieben von Lilli Baumgärtner | 16.10.2022 10:01:00

 Vielleicht haben Sie den Begriff “Quiet Quitting” in letzter Zeit bereits gehört. Er tauchte zunächst auf der Video-Plattform TikTok auf. In einem kurzen Video erklärt ein Mann: 

"Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität" 

Nachdem das Video mit mehreren Millionen Aufrufen viral ging, wird der Begriff überall auf der Welt – insbesondere in den USA – diskutiert. Doch was versteht man eigentlich unter Quiet Quitting? 

Definitionen von Quiet Quitting 

Eine präzise Definition für diesen Begriff gibt es bisher nicht, die Grenzen sind jedoch fließend.  

Für die einen bedeutet der Begriff, im Job nur das nötigste an Arbeit zu leisten und nicht mehr zu tun als das, was vertraglich vorgesehen ist und auch bezahlt wird. In diesem Fall lässt sich Quiet Quitting sinngemäß mit “Dienst nach Vorschrift” übersetzten. Der Arbeitnehmende arbeitet dann exakt so wie vorgesehen, auch wenn dann ein Teil der Arbeit liegen bleibt. Auch Zusatzaufgaben oder Gefälligkeiten für Kollegen und Kolleginnen werden nicht mehr übernommen. Damit wird kein böswilliges Ziel verfolgt, es geht nur darum, sich nicht für die Arbeit oder seinen Arbeitgebenden verausgaben zu wollen. 

Für andere bedeutet Quiet Quitting lediglich gesunde Grenzen für sich selbst zu ziehen und sich gegen ein System zu wehren, in dem unbezahlte Überstunden, Anrufe und E-Mails nach Feierabend und zusätzliche Aufgaben außerhalb des eigenen Tätigkeitsbereichs zum Alltag gehören. Darum wird pünktlich Feierabend gemacht und mit dem Feierabend wird die Abrufbereitschaft beendet. Viele lassen ihren Laptop im Büro und beantworten alle Nachrichten nur während der Arbeitszeit. Das Ziel ist es, eine gesunde Work-Life-Balance aufzubauen und die eigene mentale Gesundheit zu schützen, indem sich eben nicht das ganze Leben nur um die Arbeit dreht. 

Eine tatsächliche Kündigung seines Jobs fällt nicht unter das Quiet Quitting. 

Verschärfung von Quiet Quitting durch die Pandemie 

Das Phänomen des Quiet Quittings wurde durch die veränderten Arbeitsbedingungen seit der Corona-Pandemie noch einmal verschärft. In vielen Branchen sorgte die Pandemie durch zahlreiche Entlassungen und Kündigungen während des Lockdowns für Personalengpässe. Diese Engpässe müssen mit der Rückkehr ins normale Leben durch Mehrarbeit der gebliebenen Mitarbeitenden ausgeglichen werden. 

Dieser Effekt verstärkt das Bedürfnis der Mitarbeitenden, die zu hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, nicht länger zu akzeptieren. Zusätzliches Engagement wird damit eingestellt. 

Quiet Quitting vs. Low Performing: Wo liegt der Unterschied? 

Ein in Deutschland bekannter Begriff, der in diesen Kontext eingeordnet werden muss, ist der des “Low Performer” oder auch Mindestleister. Mindestleister sind Mitarbeitende, die dauerhaft unterhalb ihrer körperlichen oder psychischen Leistungsfähigkeit bleiben und somit im Vergleich zu anderen Mitarbeitenden deutlich schlechtere Arbeitsleistungen oder weniger zählbare Arbeitsergebnisse aufweisen. 

Die Ursachen für diese Mindestleistung können variieren: Man unterscheidet hier zwischen personenbedingten und verhaltensbedingten Ursachen. 

Zu den personenbedingten Ursachen zählen beispielsweise körperliche Einschränkungen, die es dem Betroffenen nicht ermöglichen, überdurchschnittliche Leistungen zu erzielen. Diese Gründe liegen nicht im kontrollierbaren Bereich. Anders sieht es bei den verhaltensbedingten Ursachen aus. Hier möchte der Verantwortliche nicht mehr leisten, als er tut. 

Der Unterschied zwischen Quiet Quittern und Low Performern liegt also in der Leistung: Quiet Quitter sind nämlich meist leistungsfähig und leistungswillig – nur eben nicht über den vertraglich festgelegten Rahmen hinaus. Die erbrachte Arbeitsleistung kann hier entsprechend auch einwandfrei sein, es fehlt lediglich die Bereitschaft, Überstunden zu leisten und mehr zu tun, als man muss. Die Motive differenzieren sich also zwischen der fehlenden Motivation oder Leistungsfähigkeit der Low Performer und der Selbstfürsorge der Quiet Quitter. 

Arbeitsrechtliche Relevanz von Quiet Quitting 

Gegen Quiet Quitting können im Regelfall keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen erfolgen – vorausgesetzt, der Arbeitnehmende erfüllt alle vertraglichen Vorschriften. Kein Arbeitnehmender ist verpflichtet mehr zu leisten, als vertraglich festgelegt ist. Gleichzeitig haben Arbeitgebende keinen Anspruch auf hochmotivierte und engagierte Mitarbeitende. Ein Grund für eine Entlassung oder andere Konsequenzen ist Quiet Quitting demnach nicht. 

Anders sieht es beim Low Performing aus. Leistet ein Mitarbeitender weniger als ein Drittel der Normalleistung, kann von Kündigungsrelevanz gesprochen werden. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Ursache personen- oder verhaltensbedingt ist, wobei Konsequenzen bei verhaltensbedingten Low Performern natürlich notweniger sind. Meist ist es vertraglich festgelegt, dass Arbeitnehmende ihren Arbeitgebenden nach eigenem Können und Wissen bestmöglich unterstützen und Aufgaben nach bestem Vermögen ausführen. 

Vereinbarung von Mehrarbeit: Ist das möglich? 

Natürlich ist es auch weiterhin möglich, dass Mitarbeitende Überstunden leisten. Allerdings nur dann, wenn diese vertraglich festgelegt sind. In Standardverträgen ist dies meist der Fall. Das bedeutet, dass Arbeitnehmende dann unter Beachtung aller rechtlichen Vorschriften dazu verpflichtet sind, Mehrarbeit zu leisten. 

Wichtig ist insbesondere die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes. Pro Woche darf ein Arbeitnehmender nach diesem Gesetz maximal 48 Stunden arbeiten und das nur für 48 Wochen im Jahr, da ihm gesetzlich mindestens vier Wochen Urlaub zustehen. Auch die gesetzlichen Pausenansprüche müssen bei entsprechender Arbeitszeit genehmigt werden. Bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden am Tag, steht Mitarbeitenden eine gesetzliche Ruhepause von mindestens 30 Minuten zu. Arbeiten Mitarbeitende mehr als neun Stunden, erhöht sich der Anspruch auf Pausenzeit auf mindestens 45 Minuten. 

Motivierte Mitarbeitende: Aber wie? 

Viele Arbeitgebende beobachten den Trend mit Sorgen. Was muss passieren, damit die eigenen Mitarbeitenden wieder Abstand von der passiven Arbeitshaltung nehmen? 

Wer möchte, dass die eigenen Mitarbeitenden motiviert zur Arbeit kommen und in Notfällen auch bereit sind, mehr Engagement zu zeigen, als sie müssten, sollte die Initiative ergreifen und Anreize schaffen, für die es sich auch lohnt, mehr zu geben. Um das Engagement von Mitarbeitenden zu veranschaulichen, kann deren Motivation mittels der Bedürfnispyramide von Maslow veranschaulicht werden: 

Praxis-Tipps für motivierte Mitarbeitende 

Und was bedeutet das konkret für die Umsetzung? Hier sind unsere Tipps für mehr Motivation am Arbeitsplatz: 

1. Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen anbieten 

Der erste wichtige Punkt, um Mitarbeitende nachhaltig zu motivieren ist eine Anpassung des Gehalts. Jeder Arbeitnehmende wünscht sich eine faire Bezahlung für seine Leistungen. Werden Überstunden nicht bezahlt oder nicht mit einer langfristigen Gehaltserhöhung anerkannt, sinkt die Bereitschaft zur Mehrarbeit logischerweise schnell. Auch Bonuszahlungen für besonders engagierte Mitarbeitende können die Motivation steigern. 

Allerdings können auch nicht-materielle Boni helfen, Mitarbeitende zu motivieren. Dies zeigte in Experiment des Verhaltensökonomen Dan Ariely. Zu Wochenbeginn wurden den Mitarbeitenden verschiedene Anreize für gute Leistungen in Aussicht gestellt: Gruppe 1 sollte persönliches Lob vom Chef erhalten, Gruppe 2 pro Tag 30$ zusätzlich und Gruppe 3 wurde ein Pizza-Gutschein versprochen. Die vierte Gruppe diente lediglich als Kontrollgruppe und bekam keine Anreize. 

Am Ende stellte sich heraus, dass ein Pizza-Gutschein die Mitarbeitenden am meisten motivierte. Ein kleiner Bonus kann also bereits Großes bewirken. 

2. Wertschätzendens Arbeitsklima herstellen 

Ebenfalls von großer Bedeutung ist die gegenseitige Wertschätzung im Unternehmen. Mitarbeitende möchten für ihre Arbeit und ihre Leistungen wertgeschätzt werden. Anerkennung für Erfolge löst in den meisten Menschen ein Stolz aus und stärkt gleichzeitig das Gefühl der Zugehörigkeit zum Arbeitsplatz. Auch spontanes Lob kann hier bereits Wunder wirken, wie das Experiment von Ariely ebenfalls beweist. Lob und Anerkennung stärke das Selbstbewusstsein der Mitarbeitenden und motivieren diese gleichzeitig, ihr Bestes zu geben. 

3. Mitspracherecht von Mitarbeitenden fördern 

Ein Mitspracherecht für Mitarbeitende drückt ebenfalls Wertschätzung und Respekt aus. Wird ein Mitarbeitender nach seiner Meinung oder seinem Rat gefragt, stärkt dies den Glauben an seine persönlichen Kompetenzen. Das Gefühl sich einbringen zu können, sein Wissen zu teilen und gehört zu werden, erhöht die Motivation ungemein. Aus diesem Grund tun Sie Ihren Mitarbeitenden und sich selbst etwas Gutes, wenn Sie Ihre Arbeitnehmenden in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Oft haben Mitarbeitende zusätzlich viele gute Idee, die berücksichtigt werden sollten. 

4. Flexible Arbeitszeiten ermöglichen 


Ein weiterer Faktor, der die Motivation von Mitarbeitenden steigert, sind flexible Arbeitszeiten. So ist es möglich, die Arbeitszeiten an die individuelle Lebenssituation anzupassen und seine Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten, ohne Quiet Quitting dafür nutzen zu müssen. Auch mobiles Arbeiten entlastet viele Arbeitnehmende und hat damit positive Auswirkungen auf deren Motivation. 

Damit HR-Abteilungen und auch alle Kollegen und Kolleginnen den Überblick über die Arbeitszeiten behalten, sind Softwares zur digitalen Personaleinsatzplanung empfehlenswert. Dort kann jederzeit nachvollzogen werden, welcher Mitarbeitende wo und wann arbeitet und somit auch erreichbar ist. Gleichzeitig ermöglichen derartige Softwares inkl. Employee Self Service allen Mitarbeitenden die Selbstbestimmung, ihren eigenen Arbeitsalltag zu planen und nach ihren Bedürfnissen umzusetzen. 

5. Weiterbildungsmöglichkeiten geben 


Auch sehr wichtig für eine langfristige Motivation ist das Aufzeigen und Geben von Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten. Viele Mitarbeitende – insbesondere in den jüngeren Generationen – sehen die persönliche Weiterentwicklung oder auch Aufstiegschancen als Basis für ihre Motivation. Wer möchte schon sein ganzes Leben lang die gleiche Position behalten? 

Aus diesem Grund empfehlen wir das Anbieten von Schulungen und Workshops für Ihre Mitarbeitenden. Auch interne Erfolgsgeschichten von Karriereentwicklungen sollten offen kommuniziert werden, um die richtigen Anreize zu schaffen. Mitarbeitende, die die Chance auf eine Beförderung sehen, zeigen sich meist von selbst engagiert, da sie ihre persönlichen Ziele erreichen möchten. 

Für die Planung ist ein internes Schulungsmanagement sinnvoll, da dort genau festgelegt und organsiert werden kann, wann welche Mitarbeitenden auf Fortbildungen sind, welche Qualifikationen bereits erlangt wurden, welche aufgefrischt werden müssen und welche eventuell noch förderlich wären. 

6. Persönliche Mitarbeiter- und Feedbackgespräche führen 


Last but not least ist der persönliche Kontakt zwischen den Mitarbeitenden und ihren Vorgesetzten von großer Bedeutung. In Mitarbeiter- oder Feedbackgesprächen sollten die Mitarbeitenden die Chance haben, mögliche Probleme zu kommunizieren, den Stand der Dinge zu erleuchten oder ihre eigenen Ideen vorzuschlagen. Gleichzeitig ist es wichtig, in regelmäßigen Abständen ein Feedback über die Arbeitsleistung und Verhaltensweisen zu erhalten. Mithilfe eines Stärken-Schwächen-Profils kann ein ausgewogenes Feedback garantiert werden. 

Unser Fazit 

Es gibt also einiges, was Unternehmen tun können, um einen Motivationsmangel bei der Arbeit vorzubeugen. Mitarbeitende, die sich mit ihrem Unternehmen verbunden fühlen, engagieren sich lieber und neigen weniger dazu, lediglich den Dienst nach Vorschrift zu leisten. 

In manchen Fällen hilft aber alles nichts. Bei Verdacht auf Quiet Quitting sollte darum das Gespräch gesucht und Ursachen ermittelt werden. Geht es um die mentale Gesundheit und das Aufrechterhalten einer Work-Life-Balance oder hat der Mitarbeitende andere Gründe für seine stille Kündigung? In einem persönlichen Gespräch können dann je nach Ursache individuelle Lösungen gefunden werden, die beide Seiten als Kompromiss akzeptieren können.